Mittwoch, 1. November 2017

Weiblichkeit leben - die Hinwendung zum Femininen

Als junge Frau las ich im Büro Frauenzeitschriften, wenn mein Chef mal wieder nicht da und alle Sekretariatsarbeit erledigt war. Dabei sammelte ich eifrigst Koch-, Back-, Garten- und Bastelrezepte. Was wollte ich nicht alles machen, wenn ich endlich nicht mehr jeden Tag ins Büro würde gehen müssen - als frisch gebackene Mama. Andererseits fand ich eine deutlichere Gleichberechtigung der Frau schon in den Siebziger Jahren mehr als überfällig und die Ansicht meiner Eltern in den Sechzigern, dass ich als Mädchen kein Abitur brauche, da ich ja ohne heiraten werde, nachhaltig ärgerlich antiquarisch. Nun betrachte ich mein eigenes Leben und das meiner Geschlechtsgenossinnen. Was hat sich gewandelt? Sind wir wirklich glücklicher geworden in den letzten Jahrzehnten? Haben wir es richtig angepackt und ließ man uns gewähren?

"Weiblichkeit leben - Die Hinwendung zum Femininen" heißt das Buch von Astrid Leila Bust. Die Frauenbewegung, die im Außen viel bewirke, findet die Autorin, habe ihr Ziel noch nicht erreicht. Sie sei "stecken geblieben, da sie sich zu sehr am Mann orientiert" habe. Der sei stets das Leitbild der Frau gewesen. Sie habe sich an ihm gemessen, ihn bekämpft und sich aufgerieben in dem Bestreben, besser zu sein als er. - Hm, verflixt ...! Da könnte echt was dran sein. Schon der Klappentext hält noch mehr erhellende Botschaften bereit. "Sie müssen ihn ... nicht abwehren und sich von ihm trennen, um sich selbst treu zu sein." Oder: "... wenn die Liebe und Wertschätzung für das eigene Feminine und Maskuline wiederentdeckt wird, werden sich beide angstfrei und ohne Schuldgefühle füreinander öffnen können." Selbstliebe und Selbstakzeptanz als Voraussetzung dafür, vom anderen Geschlecht geliebt und respektiert zu werden - das scheint die Message zu sein.

Ein Blick ins Inhaltsverzeichnis steigert die Neugier:
  • Die Vermännlichung der Frau
  • Ich schaue in den Spiegel - und sehe meine Mutter
  • Sich aus dem weiblichen Karma befreien
  • Die erste große Liebe: der Vater
  • Zurück ins Frauenland
  • Weibliche Sexualität
  • Eine neue Vision von Weiblichkeit: die Dakini
  • Neue Wege in Partnerschaft und Erotik
  • Mann bleibt Mann und Frau bleibt Frau
  • Sie sind die Frau Ihres Lebens
Die letzten dreißig Jahre, so lese ich, haben zu einem tief greifenden Rollenwandel geführt, zu einer Rollenkonfusion und Verunsicherung in der Identität der Frau und in der des Mannes. Verdrängte Weiblichkeit, um vermeintlich notwendige männliche Fähigkeiten zu entwickeln? Was ist heute noch typisch männlich, was typisch weiblich - und was davon darf noch (oder sollte wieder) sein? Wie kann man als neugierige, suchende Frau heute die eigene Freiheit und Liebe erkennen? Warum ist es wichtig, das negative Männerbild endlich wieder aufzugeben? (Achten Sie doch beispielsweise in Fernsehkomödien darauf, wie oft Männer als leicht vertrottelt dargestellt werden, während die Frauen als das in Wirklichkeit starke Geschlecht gefeiert werden. Und wie oft hört man aus Frauenmündern immer wieder dasselbe Wort mit der ewig gleichen Betonung: "Männer ...!")

Ein spannendes Buch. Zugleich eines, das nicht danach trachtet, zu traditionellen Rollen zurückzukehren, denn "die Errungenschaft unserer Gesellschaft" ist die Freiheit der Wahl. Sie haben nun die Wahl, sich für dieses Buch ernsthaft zu interessieren - oder auch nicht.

Die Autorin: Astrid Leila Bust ist Religionspädagogin und Systemische Paar- und Sexualtherapetin. Sie entwickelte und leitet Dakini-Frauentrainings sowie, gemeinsam mit Björn Thorsten Leimbach, seit 1995 Partnerschaftsseminare und das "Liebes- und Beziehungstraining". Wehr mehr wissen will, findet hier weitergehende Informationen.

Astrid Leila Bust, Weiblichkeit leben - Die Hinwendung zum Femininen, Verlag Ellert & Richter, 5. Auflage 2017, Softcover, 296 Seiten.

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